Felgen

Die Felgen sind tragende Teile der Laufräder so mitbestimmend für deren mechanischen Eigenschaften. In den in Form eines geschlossenen Ringes zumeist aus Aluminium gefertigt, kommt den Felgen außerdem die Fixierung der Reifen zu. Weiterhin werden ihre Flanken bei Felgenbremsen als Bremsflächen genutzt. Fahrradfelgen sollten leicht sein: Da am äußeren Rand des Laufrades plaziert, müssen sie (wie der Reifen) nicht nur linear beschleunigt werden sondern auch auf "Drehzahl" gebracht werden. Grundsätzlich unterscheiden sich Felgen danach, ob sie für Draht- oder Schlauchreifen konzipiert sind, was jeweils eine gesonderte Ausbildung der Felgenbetten verlangt.

Die ETRTO Norm

Die ETRTO (European Tire and Rim Technical Organization) hat aus den unterschiedlichen, nationalen, zum Teil ungenauen Bezeichnungen und nicht eindeutigen Abmessungen für Fahrrad Reifen und Felgen einen Standard in mm für den europäischen Fahrradmarkt abgeleitet, der zukünftig für mehr Transparenz sorgen soll: die Europäische Reifen- und Felgen-Norm.

Neben diesen neuen Maßangaben werden aber stets auch die alten Bezeichnungen weitergeführt. Konkrete Beispiele hierzu folgen weiter unten.

Heute sind am Fahrrad Aluminiumfelgen mit Hohlkammerprofil üblich. Die Hohlkammer gewährleistet eine hohe Steifigkeit und Stabilität. Um den luftgefüllten Reifen sicher in Position zu halten, haben die Felgenflanken innenseitig eine Wulst am oberen Rand, das Felgenhorn.

Diese Wulst wirkt als Anschlag für den beidseitigen Drahtring im Reifen. Die lichte Weite zwischen den beiden gegenüberstehenden Wülsten nennt man Maulweite.

Die Maßangaben der Felgen setzen sich zusammen aus der Maulweite in mm und dem Felgen-Nenndurchmesser in mm. So bedeutet z.B. 19-559:

  • 19 mm Maulweite
  • 559 mm Felgen-Nenndurchmesser.

Die aktuell verfügbaren Felgen- und Reifengrößen lassen sich auf folgenden Gesamt-Überblick verdichten:

  • Felgen-Nenndurchmesser 559 mm nimmt 26 Zoll Reifen auf
  • Felgen-Nenndurchmesser 584 mm nimmt 27,5 Zoll Reifen auf
  • Felgen-Nenndurchmesser 622 mm nimmt 28 Zoll und 29 Zoll Reifen auf.

Die Beschränkung auf lediglich drei verschiedene Felgen-Nenndurchmesser macht durchaus Sinn, um die Varianz in der Rahmengeometrie nicht ausufern zu lassen. Demgegenüber bietet der Reifen deutlich größere Spielräume, um gezielt bestimmte Fahr- und Lauf-Eigenschaften zu realisieren.

Wulstreifenfelgen

Dieser Typ wird auch Hakenfelge genannt. Der Wulst des Mantels enthält entgegen anderslautender Gerüchte keinen Draht, Wulstreifen umschließen wie Schlauchreifen den Schlauch vollkommen. Wulstreifenfelgen besitzen ausgeprägte, nach innen ins Maul zeigende Auswölbungen, die Haken genannt werden. Gegen diese Kante drückt der Schlauch den Mantel. Der Mantel wird durch seine Form in der Felge gehalten. Dieser Typ läßt keine hohen Reifendrücke zu, da die Wulst bei zu hohem Druck vom Haken rutscht und ist nur noch wenig verbreitet. Die Ersatzteillieferung ist mittlerweile sehr schwierig, das meiste, was als Wulstreifen angeboten wird, sind einfach nur dicke Drahtreifen. Man kann Wulstreifen jedoch oft mit Drahtreifen ersetzen. Wulstreifen weisen weit höhere Fertigungstoleranzen als Drahtreifen auf. Der Haken, den die Wulstreifen brauchten, ist bei den meisten heute gebräuchlichen Drahtreifenfelgen ebenfalls noch vorhanden.

Drahtreifen-Felgen

Sie sind immer Tiefbettfelgen und als Nachfolger der Wulstreifenfelgen heutiger Standard beim Fahrrad. Durch geringere Fertigungstoleranzen war es ab den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts möglich, Drahtreifenfelgen herzustellen. Im Gegensatz zu Wulstreifen brauchen sie immer ausreichend Luft, um den Mantel auf der Felge zu halten. Nahezu alle heutigen Drahtreifen besitzen noch den Haken, der ursprünglich für die Wulstreifen erfunden wurde. Strenggenommen benötigen Drahtreifen diesen nicht mehr. Aber es hat sich herausgestellt, daß dieser bei der Montage durch Laien dazu führt, daß die Reifen meist auf der Felge bleiben, was ohne Haken nur gegeben ist, wenn man sorgfältig arbeitet. So ist dieses Relikt verblieben.

Mit dem vermehrten Einsatz der Drahtreifen im Radrennsport prägte man diese Hornhaken jedoch immer kräftiger aus und die stehen heute bei einigen Herstellern rund 2 mm nach innen vor. Das hatte folgende Gründe: Bei 8 bar Luftdruck wird der Reifendraht dergestalt belastet, daß er sich je nach Drahtausführung um 4 bis 6 mm dehnt. Dadurch kann der Reifendraht an der Felgenflanke hochwandern (exentrischer Reifensitz und damit rubbelndes Fahrverhalten) oder sogar abspringen, was dann stets mit einem Reifenknaller verbunden ist. Unter einem ausgeprägten Haken hingegen kann sich der Reifendraht bei hohem Luftdruck abstützen, was dann gleichzeitig noch die Reifenlage in der Felge zentriert.

Viele heutige Drahtreifenfelgen sind Tiefbettfelgen. Dieses Tiefbett dient dazu, die Montage des Reifens zu erleichtern. Wird der Reifen auf einer Seite ins Tiefbett gedrückt, kann er auf der gegenüberliegenden Seite leicht und ohne Werkzeug über die Felgenschulter gehoben werden.

Fertig montiert liegt der Draht dann hinter dem Haken und der Schlauch kann sich bis ins Tiefbett ausbreiten.

Zulässige Kombinationen von Reifen und Felgen nach ETRTO

Die nachfolgende Tabelle gibt den Stand der zulässigen Kombinationen aus Felge und Reifen nach dem Standard der ETRTO-Norm, Stand 2006, an. Die angegebenen Felgengrößen beziehen sich auf die "Maulweite", also der innere Abstand zwischen den Felgenhörnern und nicht die gesamte Felgenbreite.

Gegenüber dem früheren Stand vor 2006 (in der Tabelle mit kleinen 'x' gekennzeichnet) sind mittlerweile auch breitere Reifen auf schmaleren Felgen (17C, 19C) zulässig und es wurden insgesamt weitere Reifen- und Felgenbreiten definiert - wohl eine Anpassung an die gängige Praxis bei Mountainbikes und "Balloonrädern". Allerdings sollte man dennoch bedenken, dass ein sehr breiter Reifen auf einer schmalen Felge leicht zu einem "schwammigen" Fahrverhalten neigt und die Reifenflanken stärker benansprucht werden. Man sollte daher den Reifen in der Praxis nicht sehr viel breiter als etwa Faktor 2 im Verhältnis zur Felge wählen, auch wenn die ETRTO-Norm mehr erlaubt.

Felgen-Profile

Wie bereits angedeutet bestimmt der Felgenquerschnitt vorwiegend die mechanischen Eigenschaften einer Felge und damit auch die der Laufräder. Heute gefertigte Felgenprofile sind in der ETRTO (European Tyre and Rim Technical Organization) festgelegt und im Folgenden mit ihren Eigenschaften aufgeführt:

  • U-Profile sind bei Stahlfelgen üblich und erweisen sich als sehr verwindungsanfällig. Damit eingespeichte Laufräder müssen häufiger nachzentriert werden, erleiden auch eine höhere Speichenbruchrate, vermitteln aber einen guten Fahrkomfort.
  • Tiefbettprofile sind bei einfachen Aluminium-Felgen üblich und enthalten im Bereich des Felgenbodens auf jeder Seite einen kleinen Hohlraum für die Fügung am Felgenstoß mittels zweier Stahlstifte. Ihre Steifigkeit liegt knapp über der von U-Profilen.
  • Kastenprofile sind Felgenquerschnitte mit leicht gerundetem Rechteckprofil. Sie besitzen aufgrund des eingearbeiteten Hohlraums bereits eine gute Verwindungssteifigkeit. Da das Profil in vertikalerRichtung relativ flach gehalten ist, erweisen sich hiermit eingespeichte Laufräder als sehr komfortabel.
  • Tropfenprofile (zum Teil auch "V"-Profil benannt) sind Felgenquerschnitte mit mehr oder weniger gerundetem Dreiecksprofil. Sie erweisen sich als aerodynamisch günstig und (bedingt durch den großen eingeschlossenen Hohlraum) als sehr verwindungssteif. Hiermit eingespeichte Laufräder zeichnen sich durch eine äußerst geringe Speichenbruchrate aus, die aus der vertikalen Härte dieser Felgen resultiert (geringe Dauerschwingbelastung der Speichen). Bei Tropfenfelgen läßt sich daher die Speichenzahl weiter reduzieren als bei anderen Felgenprofilen.
  • Extreme Tropfenprofile: Die extreme Ausbildung der Tropfenform (Felgentiefe um 45 mm) für Felgen aus Aluminium oder Carbon führt dazu, daß diese Felgen eine sehr hohe Steifigkeit besitzen, die Speichenanzahl kann also drastisch reduziert werden. Diese Maßnahme, sowie die Abdeckung der oberen Speichenbereiche machen die damit eingespeichten Laufräder eben sowindschnittig wie die Composite Wheels.
  • Asymmetrische Felgenprofile: Speziell für das Hinterrad ausgelegte Felgenprofile, bei denen die Speichenlöcher nicht in der Felgenmitte, sondern ca. 4 mm weiter zur Zahnkranzgegenseite hinversetzt sind. Dadurch läßt sich die Speichenschräge auf der Zahnkranzseite vergrößeren, wodurch die Seitensteifigkeit der Hinterräder etwa um 30 % zunimmt.

Extreme Tropfenfelgen

Diese zur Zeit windschnittigsten Speichen-Laufräder verdanken ihre aerodynamischen Vorteile einer extremen Tropfenfelge sowie minimierten Speichenanzahlen. Dieses Prinzip wurde bereits Ende der 80er Jahre von den Triathleten mittels langgezogener Carbon-Tropfenfelge realisiert. Der Durchbruch auf dem Markt aber gelang Campagnolo mit seinen Shamal-Laufrädern wobei der italienische Hersteller entschieden kostengünstigere Aluminiumflege einsetzten.

Die Ursachen der Windschnittigkeit dieser auch "Deep Rims" benannten Laufräder sind nicht etwa in der strömungsgünstigen Felge zu suchen, sondern einmal an der Speichenminimierung (12 Speichen für das Vorderrad und 16 Speichen für das Hinterrad), zum überwiegenden Teil aber darin, daß die Felge den oberen, Energie zehrenden Teil der Speichen abdeckt. Das nun hat folgende Gründe:

Der Luftwiderstand nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit in der 2. Potenz - der Leistungsbedarf sogar in der 3. Potenz zu. Daher zehren die äußeren 6 Zentimeter der Speichen beim normalen Laufrad (Speichenippel mit eingerechnet) in etwa genau soviel Energie auf, wie die restliche Speichenlänge. Da die Speichen beim Abrollen des Laufrades im Bereich des Gabelkopfes annähernd in Fahrgeschwindigkeit nach vorne laufen, ist ihre Geschwindigkeit nahezu doppelt so hoch wie die Fahrgeschwindigkeit des Radfahrers. Genau hier "fackeln" also die Speichenlaufräder die meiste Energie ab. Die extremen Tropfenprofile mit einer Felgenhöhe von rund 45 mm decken nun wie gesagt einen Großteil der Speichenenden durch den langgezogenen Felgentropfen ab und der klotzige Speichenippel verschwindet ganz in der Felge.

Auch hierzu wieder eine kleine Überschlagrechnung: Gehen wir einmal von einem gut trainierten Zeitfahrer aus, der mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h dahin kurbelt. Zu seinen 45 km/h addiert sich für den unten aus der Felge herausragenden Speichennippel noch die Geschwindigkeit, mit der er von hinten durch den Gabelkopf nach vorn verläuft. Ziehen wir von dem normalen Laufradradius von 33,5 cm nun 3,5 cm für Reifen und Felge ab, beträgt seine Vorlaufgeschwindigkeit:

\(v = 45km/h \cdot \frac {30}{33,5} = 40,3 km/h \)

Zusammen mit der Fahrgeschwindigkeit macht das dann: 45 + 40,3 = 85,3 km/h.

Rechnet man nun den Leistungsbedarf eines einzigen Speichennippels (3,7 mm Durchmesser und 7 weit aus der Felge herausschauend) aus, so kommt man auf erstaunliche 0,165 W (Watt).

Sechs Zentimeter näher zur Nabe hin sieht es dann bereits anders aus. Die Geschwindigkeit eine dort kreiselnden Speichenstückes mit 2 mm Durchmesser und ebenfalls 7 mm Länge beträgt: 45 km/h x 24/33,5 = 32,2 km/h, seine Gesamtgeschwindigkeit demnach 45 + 32,2 = 77,2. Der Leistungsbedarf dieses Speichenstückes beträgt dann nur noch 0,066 W, also rund 40% von dem des Nippels.

Durch diesen Trick, gepaart mit der Speichenreduzierung und dem Einsatz von Säbelspeichen kitzeln die Deep Rims bei dem Windwiderstand eben so viel Nachlaß heraus wie die Composite Wheels. Das Schöne für den Verbraucher daran ist: Sie kosten nur rund die Hälfte und sind sowohl für Draht- wie auch für Schlauchreifen erhältlich. Extreme Tropfenfelgen aus Carbon, wie sie beispielsweise die amerikanische Firma Zipp offeriert, kitzeln sogar noch ein klein wenig mehr an Windnachlaß heraus als jene mit Alu-Felgen, da die Carbonfelgen noch "tiefer" gezogen sind und zudem gut 150 Gramm leichter sind. Dafür steigt dann aber gleich der Preis in die Höhe.

Extreme Tropfenfelgen verlangen nach einer ungewöhnlichen Einspeichung und nicht selten sogar nach Sonderspeichen. Der einfache Mechaniker ist hier häufig überfordert. Daher hat eine große Anzahl von Vertreibern gleich von vornherein ganze Laufradsätze in ihr Programm aufgenommen. Nur so kann der Hersteller sicher gehen, daß die Speichenspannung stimmt und keine Fehler beim Einspeichen gemacht werden. Eine Überprüfung des Autors kann dieses Vorgehen der Firmen nur bekräftigen: Die Deep Rims warten mit exelenten Rundlaufwerten auf, nicht selten lag der "Schlag" unterhalb von 0,2 mm.

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